Ein Idiot in Uniform, ist immer noch ein Idiot.


Wir schrieben das Jahr 2016. Eine Gruppe Ewiggestriger wollte durch Berlin demonstrieren und ihre intelligenzfeinlichen Hassbotschaften unter dem Motto:“Marsch für das Leben“verbreiten.
Da viele Menschen das nicht unkommentiert lassen wollten manifestierte sich unter dem Motto „What the fuck?“ eine Gegenkundgebung.

Den Besuch dieser Gegenkundgebung besprachen wir auch in der KvU. Bei der Besprechung wurden einige Bedenken wegen des zu erwartenden massiven Polizeiaufgebots laut. Aber unsere Sozialarbeiterin tönte siegesgewiss auf der Vollversammlung :

„Wer mit mir auf die Demo geht wird nicht verhaftet!“

Sozialarbeiterin


Wir einigten uns darauf das wir uns um 12:00 auf dem Platz der Republik, vor dem Reichstagsgebäude, treffen wollten, ich sollte die Fahne mitbringen.

Nun war der Tag der Demo gekommen. Ich putzte mich demotauglich heraus und kleidete mich in mein Feldgewand, welches aus einem korallroten Barett, einer Bundeswehr-Feldbluse mit einen selbstgesticktem Abzeichen mit der der Aufschrift“Politkommissar“ und einer Kokarde der Roten Armee, sowie einer US-Armyhose und Einsatzstiefeln bestand. Wie verabredet holte ich morgens die Fahne aus der KvU und machte mich auf den Weg. Unterwegs erhielt ich noch einen Anruf das unser Treffpunkt vom Platz der Republik zum Brandenburger Tor verlegt worden war. Kein Problem dachte ich mir und passte meine Route dem entsprechend an.

Am Brandenburger Tor stieß ich auch zügig auf den Rest der Gruppe. Nach den üblichen Begrüßungfloskeln standen wir nun ein wenig herum und warteten das unsere Demo so langsam Form annahm, doch dazu sollte es, für mich zu mindestens, gar nicht erst kommen.

Einer unserer Jugendlich meinte zu mir: „Ey Baupunq, die Bullen filmen uns.“ „Na und, lass sie doch, das ist ihr Job und viel dagen tun könn‘ wa nich.“
Kurz darauf kam einer der Polizeibeamten zu mir und fragte mich:
„Können wir uns mit ihnen unterhalten?
„Wenn es sein muss.“
„Kommen sie bitte mit.“
„Können wir uns nicht hier unterhalten?“
„Nein, mitkommen!“
Und schwubbs stand ich umzingelt vom BFE da und es ging los.
„Hä? Wasn nu los?“ fragte ich
„Sie sind festgenommen.“
„Und warum?“
„Wegen Uniformierung.“

Dazu ein kurzer Ausflug in die Juristerei:


„Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.“

§3 Abs.1 VersG


Dieses Gesetz hat seinen Ursprung in den uniformierten SA-Aufmärschen der 30’er Jahre, soetwas wollte man in der jungen BRD nicht noch einmal.
Nun war ich aber weit und breit der Einzige auf weiter Flur in militaristischen Klamotten. Ich schätze die nächsten Menschen die ähnliche Kleider wie ich trugen saßen in der Julius-Leber-Kaserne im Kurt-Schuhmacher Damm 41, 13405 Berlin. Wer mir und der Bundeswehr eine gemeinsame politische Gesinnung unterstellt musst den Verstand verloren haben und der Tag an dem es in einer deutschen Armee wieder Politkommissare gibt liegt noch in den (roten?)Sternen.

Auf meinem Weg quer über den Pariser Platz war der einzige Vorteil an meiner „Eskorte“ dass ich keinem nervigen Touristen ausweichen musste. Unsere Sozialarbeiterin lief mir und den Beamten hinterher und diskutierte mit ihnen. An der Wanne angekommen durfte ich die Figur des Adlers einnehmen. Das ist leider keine Übung aus dem Tai-Chi, obwohl mir Tai-Chi in diesem Moment lieber gewesen wäre. Einer der Beamten versuchte zu entziffern was auf meinem selbstgestickten Abzeichen auf meinem Oberarm stand
„Was steht denn da auf dem Arm?“ fragte er.
„Politikkommissar.“ las ein anderer
Etwas verdutzt guckte ich selber nach ob nicht ein böser kleiner Kobold meine schöne Stickerei verändert hatte, dem war aber nicht so.“
„Da steht Politkommissar.“ korrigierte ich den Beamten.
Ich weiß um sich bei der Polizei zu bewerben braucht man kein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1,0, aber Lesen und Schreiben als Grundvorraussetzung halte ich dennoch für wünschenswert.

Als ich neben der Wanne stand und meine Umhängetasche durchsucht wurde rief ich unserer Sozialarbeiterin meine Daten zu. Danach durfte ich eine Runde Polizeiauto fahren, leider nur hinten und ich durfte nicht mal die Sirene einschalten. Einige Blocks weiter wurde ich in die GeSa – die Gefangenensammelstelle gebracht. Entgegen meiner Erfahrung bestand diese GeSa aus einer Wanne mit einem Gitter zum hinteren Teil des Fahrzeugs, der „Zelle“. Ich wurde erneut abgetastet und man nahm mir meine Halskette und meinen Gürtel ab. Nachdem das Gitter hinter mir geschlossen war wurde der Inhalt meiner Umhängetasche durchsucht und alles kommentiert.
„Eine Rolle Klebeband, eine Rolle Schnur, eine Rolle Draht, ein Kompass, ein Stadtplan, eine Packung Pflaster, eine..“ der Beamte stockte als er die Packung Präservative in der Hand hielt „…eine Packung Sicherheit, eine Dose Ballistol.“ Nun zog der Beamte eine verbeulte kleine runde Blechdose aus meiner Tasche. Die diebische Freude, über seinen hochkriminellen Fund in seinen Augen war kaum zu übersehen, um so größer seine Enttäuschung als er die vergrießgnaddelt Dose endlich auf bekam. Anstatt der von ihm erhofften Betäubungsmittel fand er Dichtungen in fast allen Formen und Farben. Nach der Bestandsaufnahme meines Umhängetascheninhalts zog einer der Beamten das Fazit:
„Na sie scheinen ja für ein Leben draußen ausgerüstet zu sein.“
Ich antwortete nicht, da die einzige Äußerung seit meiner Festnahme die Weitergabe meiner Daten war. Denn Mutti hat mir beigebracht:“Baupunq, rede nicht mit dummen Leuten.“ Also starrte ich seit ich dort saß die Schraube der Kopfstütze gegenüber an. Der geneigte Leser könnte zu dem Schluss kommen das die verbliebene Zeit in der Gastfreundschaft der Berliner Polizei unglaublich langweilg war. Zum Beginn war es das auch, da es nach 10 Minuten Schraube-Anstarren echt nervig wurde. Aber dank der Polizei wendete sich das Blatt sehr zügig.
Zu meiner Bewachung wurde ein Beamter bestimmt. Da dieser nicht stehen wollte, machte er sich daran den im Fahrzeug für solche Zwecke angebrachten Klappsitz zu nutzen.
Nun muss man wissen dass dies verbaute Modell ein komplexes und vertracktes Ding ist. Dieser Klappsitz den der gemeine Berliner aus den U-Bahn-Wagons der Baureihe A3 und ihrer Derivate her kennt hat die Eigenschaft, wie so viele Klappsitze, im unbelasteten Zustand aus Platzspargründen wieder hochzuklappen und in der für ihn vorgesehenen Vertiefung in der Wand zu verschwinden. Allem Anschein war der Beamten mit der Benutzung dieser teuflisch komplexen Höllenmaschine nicht vertraut.
Er klappte den Sitz aus und dreht sich um um sich zu setzen. Während seiner Drehung jedoch klappte dieses hinterlistige Bauteil des Einsatzfahrzeugs lautlos wieder zurück, so dass, gerade als er sich erleichtert darauf niederlassen wollte, es nicht mehr da war und er beinahe hingefallen wäre. Ein weitere verletzter Polizist in der Statistik. Zweiter Versuch und dritter Versuch, der Ablauf blieb der selbe. Beim vierten Versuch nun kam er auf die revolutionäre Idee die Sitzfläche solange mit der Hand festzuhalten bis er darauf saß. Was lange währt wird endlich gut.
Den Rest der Zeit verbrachte ich damit die Schraube der Kopfstütze gegenüber zu hypnotisieren. Nach etwas mehr als einer 3/4 Stunde in diesem noblen Etablissement wurden mir meine Sachen wieder gegeben. Beim Verlassen meiner temporären Unterkunft erhielt ich auch noch wie immer diesen Zettel den kein Arsch lesen kann. Sobald ich in entsprechender Entfernung zur „GeSa“ war tat ich zwei Dinge. Erstens meldete ich mich ordenlich beim EA ab und zweitens schrub ich einer Freundin in Hamburg eine SmS:

„Ich wurde soeben offiziell wegen schlechtem Geschmack festgenommen.“ „Bitte lass‘ es einen Scherz sein.“ „Nein ich wurde gerade wegen Uniformierung festgenommen.“ „Typisch Berlin.“

Irgendwelche Folgen aus diesem Abenteuer hatte ich nicht zu tragen. Selbst wenn das Festnahmeprotokoll jemals den Weg zur berliner Staatsanwaltschaft gefunden haben sollte weil es den Polizisten doch nicht zu peinlich war, dann schätze ich war es spätestens dem Staatsanwalt zu blöde sich damit auseinander zu setzen.

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